Der Stufen, die den Weg des Wanderers von der irdischen Wohnung zur Göttlichen Heimat bezeichnen, werden sieben gezählt, von manchen als ›Sieben Täler‹, von anderen als ›Sieben Städte‹ bezeichnet. Und es heißt, daß der Wanderer nicht eher zum Meer der Nähe und Einheit gelangen noch von dem unvergleichlichen Weine trinken wird, als bis er sein Ich aufgegeben und die Reise vollendet hat.
Das erste Tal ist das Tal des Suchens, und Geduld ist das Fahrzeug, mit dem man hindurchgelangt. Ohne Geduld findet der Wanderer zu keinem Ende noch Ziel. Nie darf der Mut ihm entsinken, und müßte er hunderttausend Jahre lang sich bemühen, ohne die Schönheit des Freundes zu schauen, so dürfte er doch nicht verzagen, denn jene, die die Kaʿbah des »hin zu Uns« zu finden bestrebt sind, wird die Verheißung erfreuen: »Wir werden sie leiten auf Unseren Wegen. «Sie haben sich in ihrem Suchen mit Festigkeit zu dienen entschlossen und trachten unablässig danach, sich von der Stätte der Nachlässigkeit abzukehren und der Welt des Seins zuzuwenden. Kein Band hält sie auf, und kein Rat kann sie hindern.
Das Herz dieser Diener, die Quelle göttlicher Schätze, muß frei sein von jedem Makel; sie dürfen nicht länger blindlings die Bräuche ihrer Väter und Ahnen befolgen und müssen das Tor des Freundlich- oder Feindlichseins für alle Bewohner der Erde verschließen.
Auf dieser Wanderung wird der Suchende eine Stufe erreichen, auf der er alle Geschöpfe in verwirrter Suche nach dem Freunde sieht. Wie manchen Jakob wird er erblicken, der seinem Josef nachjagt, wie manchen Liebenden gewahren, den das Verlangen nach dem Geliebten treibt, und eine Welt von Sehnenden tut sich ihm auf, die nach dem Ersehnten suchen. Jeder Augenblick läßt ihn bedeutsames Neues, jede Stunde ein Geheimnis erschauen, denn sein Herz ist gelöst von dieser und der anderen Welt, er ist auf dem Weg zur Kaʿbah des Geliebten. Die Hilfe des Unsichtbaren umgibt ihn bei allen seinen Schritten, und die Glut seines Suchens ist entfacht.
Ermeßt das Suchen an dem Majnún der Liebe. Es heißt, daß man Majnún eines Tages erblickte, wie er tränenden Auges die Erde siebte. Man fragte ihn: »Was machst du da?« Er sprach: »Ich suche nach Laylí.« Da sagte man zu ihm: »Weh dir! Ist Laylí doch reinen Geistes und du suchst sie im Staube.« Er antwortete: »Ich suche sie überall, vielleicht, daß ich sie irgendwo finde.«
Fürwahr, wenn die Weisen auch sagen, es zieme sich nicht, den Herrn der Herren im Staub zu suchen, so zeugt solch ein Tun doch von heißestem Verlangen des Suchens. »Wer sucht mit Bemühen, wird sicherlich finden.«
Der wahrhafte Sucher verfolgt nichts als den Gegenstand seines Verlangens, und der Liebende hat kein Ziel als die Vereinigung mit dem Geliebten. Doch wird der Sucher nur dann sein Ziel erreichen, wenn er allen Dingen entsagt: er muß alles, was er gesehen, gehört und verstanden hat, in den Wind schlagen können, um in das Reich des Geistes zu kommen, das die Stadt Gottes ist. Ernste Bemühung ist nötig in unserem Suchen nach Ihm und heißer Eifer, damit wir den Honig der Vereinigung mit Ihm zu kosten vermögen. Doch trinken wir aus diesem Kelch, so werden wir die Welt von uns werfen.
Auf dieser Wanderung wird der Reisende in allen Ländern verweilen und überall wohnen. In jedem Antlitz sucht er die Schönheit des Freundes, und in jedem Land schaut er nach dem Geliebten aus. Keine Gesellschaft meidet er, und sucht die Gemeinschaft mit einem jeden, damit er vielleicht das Geheimnis des Freundes in irgendeiner Seele entdecke oder die Schönheit des Geliebten in irgendeinem Angesicht schaue.

Bahá’u’lláh

Die Sieben Täler